Klare Forderungen der KMU

Klare Forderungen der KMU

Für viele Baselbieter KMU geht es bei der Frage, wie genau das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und Brüssel ausgestaltet wird, um das Fortbestehen. Mehrere Verbände fordern deshalb eine Beibehaltung der heute geltenden flankierenden Massnahmen.

Bereits vor Verhandlungsbeginn Ende März flackerten Befürchtungen und Ängste bei KMU-Vertretern auf. Als durchsickerte, dass der Bundesrat beim EU-Dossier zu kompromissbereit, sprich zu willig sei, bestehende Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu diskutieren, kam die Kritik sofort – und deutlich. «Die EU will mit der Durchsetzungs- und Entsenderrichtlinie die Kautionspflicht und die 8-Tage-Regel kippen», heisst es beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Er fordert die Beibehaltung der bestehenden Regeln: «Die Kaution, die 8-Tage-Voranmeldung, die Dienstleistungssperre und anderes sind Schweizer Lohnschutzmassnahmen, die in der EU nicht vorkommen. Sie wurden geschaffen, damit der sozialpartnerschaftliche, föderalistische Vollzug funktioniert.» Die Baselbieter Wirtschaftskammer (Wika) ihrerseits verlangt, dass es bei der Schwarzarbeitkontrolle zu keiner Verwässerung kommen dürfe.

Die Folgen einer Aufweichung der bestehenden flankierenden Massnahmen wären für KMU frappant: Lohndumping durch ausländische Konkurrenz und Billigarbeitskräfte. «Dank flankierenden Massnahmen werden die Arbeitsbedingungen unserer Arbeitnehmer geschützt und Lohndumping verhindert», sagt etwa Nicole Ott von der Reinhard Ott AG in Arlesheim. «Diejenigen Firmen, die Aufträge erhalten, sollen auch korrekte Löhne bezahlen.»

Strengere Massnahmen gefordert

Seit Wochen ist die Anspannung bei den Berufsverbänden gross. «Als extrem störend empfinden wir die gesamte Spesenregelung, wie sie vom Bundesrat angepeilt wird», sagt Peter Meier, Zentralpräsident von AM Suisse und Geschäftsführer von Mevo Fenster in Reinach. «Wir fordern, dass das Prinzip Vorort-Regelung und nicht Herkunftsland-Regelung gilt. Konkret heisst das: Ausländische Unternehmen, die in der Schweiz Aufträge erhalten, müssen die hier gemäss GAV gültigen Spesenregelungen übernehmen.»

Dieter Zwicky vom Schreinermeisterverband Baselland erklärt in einem Beispiel, warum die Spesenregelung so wichtig ist: «Eine polnische Firma entsendet zehn Mitarbeitende für den Einbau von Türen und Küchen in einem Wohnungskomplex. Gemäss Schweizer GAV müsste sie pro Mitarbeiter und Tag inklusive Wochenenden 121 Franken als Essens- und Übernachtungsspesen bezahlen. Es ist nicht zu erwarten, dass die polnische Firma diese Summe auch nur annähernd auszahlt.»

Wenn solche Entlohnungsmodelle akzeptiert würden, werde in Kauf genommen, dass die polnischen Mitarbeiter sich unter unwürdigen Bedingungen verpflegen und übernachten, so Zwicky. Und der bislang politisch gewollte Lokalvorteil für den hiesigen Arbeitgeber würde entfallen. «Erst recht benachteiligt sind Schweizer Firmen, wenn der Einsatz gemäss GAV als ‹Arbeit an auswärtigen Einsatzorten› taxiert ist», sagt Präsident Dieter Zwicky.

Peter Meier kennt dieses Problem auch aus seiner Branche und fordert deshalb: «Nur mit der Einhaltung der in der Schweiz geltenden Spesenregeln können wir gleich lange Spiesse für alle Marktteilnehmer gewährleisten.»

Digitalisierungsoffensive nötig

Für die gesamte Schweizer Wirtschaft ist zudem wichtig, dass eine obligatorische Kautionspflicht im Rahmen der Durchsetzungs- und Entsenderichtlinie installiert wird; und es zu einer massiven Erhöhung der Verwaltungssanktionen kommt. «Im Schadensfall braucht es eine Zweitkaution», sagt Meier. «Denn gerade ausländische Montagefirmen wechseln ihre Namen rasch und sind dann im heutigen System nicht mehr fassbar, was die Sanktionen zahnlos macht.» Auch für Dieter Zwicky ist diese obligatorische Kautionspflicht ein absolutes Muss: «Wenn unsere Konkurrenz aus dem EU-Raum erst im Wiederholungsfall Kautionen hinterlegen muss, dann öffnet dies die Tür zum Missbrauch sperrangelweit. Denn ohne Pfand ist das Einhalten unserer Regeln zum Schutz von Arbeitgebern- und -nehmern viel weniger gesichert.» Auch stelle er es sich «sehr umständlich vor, rechtzeitig festzustellen, welche Firmen bereits Erstverstösse hatten», erklärt Zwicky.

KMU-Vertreter sowie die Baselbieter Wika sehen in der Stärkung des GAV-Systems die wirksamste Massnahme für einen effektiven Lohnschutz. Deshalb sollte die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) erleichtert werden. Grund: In den AVE-Beschlüssen ist jeweils aufgeführt, für welches Gebiet, welche Branche und welche Arbeitnehmenden die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV gelten. «Das AVE-Verfahren muss drastisch vereinfacht und die bürokratischen Hürden müssen abgebaut werden», sagt Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer Baselland.

Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel und den wachsenden Schwierigkeiten für die KMU, geeignetes Personal zu rekrutieren, müssen auch die «künstlichen Hürden bei der Finanzierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Branchenförderung aus GAV-Beiträgen» beseitigt werden.

Eine grosse Bedeutung kommt einer «Digitalisierungsoffensive der Sozialpartner» zu, wie sie die Wika fordert. Ziel: Ausbau einer digitalisierten Meldeplattform für Entsendemeldungen, die dann direkt mit den Systemen im paritätischen Vollzug verbunden sind.

Die Baselbieter KMU würden eine Aufweichung der Rahmenbedingungen strikt ablehnen, so Buser. Und er ergänzt: «Wir haben es schon erlebt, wie es ist ohne griffige flankierende Massnahmen, und dorthin wollen wir nicht mehr zurück.»

Aus dem aktuellen Standpunkt der Wirtschaft.

Fr. 5. April 2024