Neben der politischen Auseinandersetzung in Bezug auf das Energiegesetz und das umstrittene Dekret (Standpunkt berichtete) kommt es nun auch zu einer juristischen. Sechs Privatpersonen wollen den Entscheid, der eine Mehrheit des Kantonsparlamentes zusammen mit der Regierung gefällt hat, nicht einfach so hinnehmen – deshalb haben sie beim Kantonsgericht Basel-Landschaft eine Beschwerde eingereicht. Die Beschwerdeführer, wie sie im juristischen Jargon heißen, sind überzeugt: Der Landratsbeschluss verstößt gegen Volksrechte.
Neue Pflichten im Fokus
Zu denken, dass die Beschwerdeführer hier ein rein politisches Manöver betreiben, weil sie gegen die Neuerungen im Energiegesetz sind, greift zu kurz, da alle sechs Personen auch im Kanton Basel-Landschaft wohnhaft sind. Das heißt, auch sie werden von den Änderungen betroffen sein. ≪Sei es, dass sie als Wohneigentümer direkt den Verpflichtungen unterliegen, oder als Mieter von den zusätzlichen Kosten, welche ihren Vermietenden durch die angefochtenen Änderungen entstehen, über höhere Mietzinsen betroffen sein werden≫, heißt es dazu in der Beschwerde.
Im entsprechenden Dekret zum Energiegesetz hat der Landrat eine Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien bei der Wassererwärmung installiert. Neu soll nicht nur Brauchwasser wie jenes zum Duschen oder Abwaschen betroffen sein, sondern auch Heizwasser. Ebenso steht im Dekret, dass – wenn ein Heizsystem ersetzt werden muss – das neue mit erneuerbarer Energie betrieben werden muss. In widersprüchlichem Vorgehen hat eine Mehrheit des Landrates hier die Möglichkeit verbaut, künftig fossil betriebene Wärmekraftkopplungsanlagen anrechnen zu können. Widersprüchlich deshalb, weil Paragraph 10 des Baselbieter Energiegesetzes eigentlich nur vorsieht, Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen zu ≪einem Anteil erneuerbarer Energie zur Deckung des Eigenbedarfs≫ zu verpflichten. Ein Anteil bedeutet nicht 100 Prozent. Und in den Vorlagen zur Totalrevision 2015 und 2016 hieß es dann auch, dass sowohl Holz und Erdwärme wie zum Beispiel Erdsonden möglich wären. Der Regierungsrat erwähnte damals explizit auch die Wärmekopplungsanlagen. Doch dann die plötzliche Kehrtwende: ≪Nun wollen Regierungsrat und Landrat diese Möglichkeit auf Dekretsebene ohne Mitwirkung der Stimmberechtigten im Stillen wieder abschaffen≫, so die Beschwerdeführer. Sie sehen besonders große Auswirkungen in der ≪Pflicht zur Eigenstromerzeugung durch Fotovoltaikanlagen bei Neubauten≫. Einerseits, weil dies für Bauherren zu massiv steigenden Kosten führt, was schon in der Vernehmlassung zur Sprache kam. Andererseits fehlt für solche Erlasse die gesetzliche Grundlage im Energiegesetz.
Obwohl der Landrat wusste, dass durch einen solchen Erlass die Pflicht, eine Referendumsabstimmung anzusetzen, umgangen wird, lehnte eine Mehrheit den Antrag ab, den Entscheid dem Volk vorzulegen. SP-Politiker Adil Koller sowie der Regierungsrat vertreten hier die Ansicht, das Energiegesetz an sich biete genügend Grundlage, um die Änderungen im Dekret abzustützen. Genau diese Verweigerung, dem Souverän das letzte Wort zu lassen, kann de facto auch anders interpretiert werden: Regierungsrat und Landrat wollen ohne Mitwirkung der Stimmberechtigten Fakten schaffen.
Dekret missbräuchlich?
Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass die Verfassung des Kantons Basel-Landschaft ≪eine sehr strenge Beschränkung des möglichen Inhalts von Dekreten≫ kennt. Solche Dekrete dürften keine neuen Pflichten begründen oder Rechte der Betroffenen einschränken, selbst wenn diese Regelungen mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar wären. Das spielt gerade hier eine Rolle, weil das Dekret ja Änderungen vorsieht, die aber so im Gesetz nicht zu finden sind – wie eben die Ausdehnung von Brauch- auf Heizwasser.
Dem Regierungsrat war diese Gratwanderung bewusst. In der Vorlage hat er selbst davon gesprochen, dass das Dekret eine ≪Gesetzeslücke≫ schließen soll. Doch gerade solches Vorgehen erachten die Beschwerdeführer als ≪nicht zulässig≫. Mit Dekreten dürfen nicht Gesetzeslücken geschlossen werden. Soll der Anwendungsbereich eines Gesetzes ausgedehnt werden, so ist dies Aufgabe des Gesetzgebers, ein formelles Gesetzgebungsverfahren mit Gesetzesreferendum einzuleiten. Wenn eine Mehrheit des Landrates jetzt also via Dekret ein Stromerzeugungs- und Heizsystem vorschreiben will, das zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien beruht, verlässt er damit den gesetzlichen Rahmen. Der Regierungsrat begründete wohl deshalb ziemlich bewusst die neuen Regelungen mit Blick auf das Emissionsziel Netto-Null bis 2050 und was in anderen Kantonen bezüglich Klimaschutz und Energiewende passiert.
Noch sonderbarer ist die Begründung des Regierungsrats zur Fotovoltaikpflicht. Er verweist hier auf andere Kantone und deren Mustervorschriften – etwas, das im Gegensatz zum Gesetz für das Parlament völlig unverbindlich ist. Der Regierungsrat begründet seine energiepolitischen Maßnahmen dann auch damit, dass er es als ≪angezeigt≫ erachte, eine Fotovoltaikpflicht einzuführen. ≪Eine gesetzliche Grundlage anzuführen, erachtet der Regierungsrat aber scheinbar nicht als nötig≫, schreiben die Beschwerdeführer. ≪Eine neue Pflicht kann aber gerade nicht durch ein Dekret eingeführt werden.≫
Volksabstimmung umgehen
Für die Beschwerdeführer ≪ist offensichtlich, dass Regierungsrat und Landrat mit diesem Vorgehen eine Volksabstimmung verhindern wollten≫, wie sie sagen. Hatte die Regierung zusammen mit Rot-Grün die Befürchtung, dass Baselbieterinnen und Baselbieter, die beim CO2-Gesetz und bei der Klimainitiative bisher bereits zweimal zu extremen Forderungen Nein gesagt hatten, auch diese Zwängerei bachab schicken würden?
Die Behörden haben mit diesem Vorgehen gegen die in der Verfassung vorgesehene Kompetenzordnung verstoßen und auf diese Weise sowohl die Rechte der Stimmberechtigten als auch den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt, sagen die Beschwerdeführer. Es darf mit Spannung erwartet werden, wie das Kantonsgericht entscheidet. Wann das der Fall sein wird, ist noch nicht bekannt.
Aus dem aktuellen Standpunkt der Wirtschaft